Angst ist kein Gefühl!

Schwangere beim Pilates am Strand (© chupacabra – stock.adobe.com)

Angst ist kein Gefühl?  Ja, was ist es denn dann? 

Und was geschieht bei dir, wenn du vor Angst erstarrst, deine Kehle eng wird und dein Magen ganz flau, wenn aus Sorgen deine Gedanken Karussell fahren und du aus diesem Zustand keinen Weg heraus findest?

Angst vor Fahrstühlen, Angst in Menschenansammlungen, Angst vor Spinnen, Angst vor Krankheiten, Angst ohne direkten Zusammenhang. Es gibt zahlreiche neurotische Ängste. Doch eins haben sie oft gemeinsam: Eine reale Gefahr besteht nicht. Es steht kein Säbelzahntiger vor dir, der dir in zwei Sekunden an die Kehle springt.

Der Fahrstuhl bringt dich nicht um, die Spinne in deiner Wohnung ist nicht gefährlich und Menschenmengen sind nicht lebensbedrohlich. Die Wahrscheinlichkeit, eine schwere Krankheit zu bekommen ist um ein vieles geringer, als deine Angst dir vorgaukelt.

Bestünde eine reale Gefahr, wäre deine natürliche Reaktion Furcht, nicht Angst. Dein Nervensystem würde, wie auch im Tierreich, auf Fight (Kampf), Flight (Flucht) oder Freeze (Erstarrung, Totstellreflex) umschalten. Ein lebensnotwendiger Reflex um dich vor drohender Gefahr zu schützen.

Angst jedoch ist nicht die unmittelbare Reaktion auf eine reale Gefahr. Es ist vielmehr ein Erregungszustand bei dem dein Nervensystem Alarm schlägt.

Angst besteht aus vier Faktoren: Wut, Trauer, Aggression und Sexualität (Libido). Wenn einer oder mehrere dieser vier wichtigen Lebensimpulse zurückgehalten wird, entsteht Angst.

 

Angst ist ein zurückgehaltener Impuls.

Schon in deiner frühesten Kindheit bis zum Alter von ungefähr sieben Jahren hast du erlebt, wie deine Impulse von Außen bewertet wurden, welche du davon ausdrücken durftest und welche lieber nicht.

Als Baby hattest du nicht die Möglichkeit, deine Bedürfnisse wie Hunger, Nähe oder Wärme selbst zu erfüllen. Deine Mutter oder ein anderer Erwachsener musste erkennen, welches deiner Bedürfnis in welcher Dosierung, in welcher Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt erfüllt werden musste. Tat sie das nicht, fingst du an zu weinen, um damit deine Bedürftigkeit auszudrücken. Bliebst du dann alleine, weil niemand kam, war das für dich lebensbedrohlich. Häuften sich nun solche Momente und verfestigte sich bei dir die Erfahrung: “Ich bin nicht sicher.”, schaltete dein Nervensystem auf Erstarrung. Als Säugling hattest du nicht die Möglichkeiten des Kämpfens und Fliehens (fight and flight). Die einzige Chance, dich zu regulieren war in die Erstarrung zu gehen (Totstellreflex, Freeze).

Etwas später in der Kleinkindphase tatest du alles, um von deinen Eltern geliebt, gesehen und gehört zu werden und deinen Platz, deine Zugehörigkeit sicher zu wissen. Ist ein dreijähriges Kind trotzig oder wütend und bekommt von den Eltern gespiegelt, dass das eigene Bedürfnis nicht richtig ist, wird es über kurz oder lang seine Bedürfnisse unterdrücken. Lieber „brav“ und angepasst sein, als dass es mit Liebesentzug bestraft wird. Das Kleinkind weiß nicht, dass Wut und Liebe (oder auch jedes andere Gefühl) gleichzeitig existieren können, es kann sich nicht gesund selbst regulieren und braucht Erwachsene zur Co-Regulation.

Nicht gelebte Impulse von Wut, Trauer, Aggression und Libido zeigen sich als erhöhte Anspannung (Erstarrung) und in deren Konsequenz Angst.

Möchtest du nun im Erwachsenenalter einen natürlich Impuls ausdrücken, springt womöglich dein kindliches Nervensystem wieder an. Deine Zellen erinnern sich, dass der Ausdruck von Wut, Trauer, Aggression und Sexualität Gefahr bedeutet. Das Unterbewusstsein ist sofort wieder im Zeitalter des Babys oder Kleinkinds. Mit deiner erwachsenen Realität hat das nichts zu tun.

Ein kleiner Trigger in deinem Alltag, ein Wort, ein Tonfall, eine Nichtachtung deines eigenen Bedürfnis, ein Geruch, eine Situation und deine Systeme schalten auf Alarm.

Dein tatsächlicher Impuls ist durch die frühe Prägung belegt mit Scham und Schuld. Als Kind hast du bereits die Erfahrung gemacht, dass deine Impulse gefährlich sind, peinlich, nicht anständig, verpönt. Du fühlst dich schuldig und schämst dich. Scham und Schuld halten dich also von deinem natürlichen Ausdruck ab.

Der Säbelzahntiger ist ein starker Impuls, der in deinem Inneren lauert.

Wann immer du aufgrund von alten Schuld- und Schammechanismen gelernt hast, dich zurückzuhalten statt dich auszudrücken, erlebst du subtil Angst und spannst deinen Körper an. Die Folge ist dann Fight, Flight oder Freeze. Die Erfahrung aus deiner frühen Kindheit sagt dir, dass Fight und Flight nicht erfolgversprechend waren, also bleibt nur die Erstarrung (Freeze).

Der Säbelzahn Tiger lauert nämlich nicht draußen vor dir, sondern ist ein starker Impuls, der noch in deinem sogenannten Schatten, deinen verdrängten Teilen in deinem Unterbewusstsein lauert. Die Gefahr ist also nicht, dass dir von außen etwas passiert, sondern dass dein Inneres womöglich ans Licht kommen könnte, denn dann wäre da dieser Kontakt zu alten Wunden.

Doch das Alte ist vorbei. Du hast es überlebt. Jetzt heißt es Licht in diese Schatten zu bringen. Und somit all deinen inneren Treibstoff zu mobilisieren. Sodass er dir in gesunder und guter Form zur Verfügung steht.

In einem sicheren und geschützten Rahmen das Innere Kind heilen.

In meiner Praxis erlebe ich oft, dass Klientinnen Kontakt zu einem lang unterdrückten Impuls bekommen. Beim Bearbeiten eines Themas beim Visualisieren kann es passieren, dass sich ganz plötzlich die Angst zeigt. In Kontakt mit Wut, Trauer, Aggression und Libido wittert die “alte Programmierung” Gefahr. Der eigentliche Impuls darf nicht gespürt werden, wird unterdrückt und die Angst steigt auf.

In solchen Momenten begeben sich meine Klientinnen gemeinsam mit mir in einem sicheren und geschützten Rahmen auf einen heilenden Weg. Der eigentliche Impuls meiner Klientinnen kann dadurch wieder gespürt und im Endeffekt wieder ausgedrückt werden. Das Innere Kind erfährt: “Hey ist gar nicht schlimm. Ich darf das. Das ist natürlich. Das gehört dahin. Ich bin vollkommen richtig damit.” Der Schattenanteil kann sich integrieren und kommt ins Bewusstsein, natürliche Impulse können fließen, Erstarrung und Angst lösen sich auf. Meine Klientinnen können so einen gesunden, natürlichen Kontakt zu ihren Emotionen und zu ihren Instinkten herstellen, sich selbst wieder ganz und gar spüren, sich und ihre Bedürfnisse adäquat ausdrücken und mit ihrem Gefühl verbinden.

Dein Inneres Kind, was wütend oder traurig war (und noch ist) braucht nachträglichen Ausdruck, sodass dein Nervensystem erfährt, dass gar keine Gefahr mehr besteht. Starke Emotionen wie Wut, Trauer und deren Ausdruck können gleichzeitig mit “ich bin geliebt” existieren.

Was hältst DU am meisten zurück?

Wenn du jetzt mal für dich selber ganz ehrlich nachspürst. Welche dieser vier Impulse (Wut, Trauer, Aggression, Libido) ist bei dir am meisten mit Zurückhaltung, Scham und Schuld belegt?

Wann immer du Angst verspürst, frage dich, welcher Impuls sich gerade zeigen will!

Frage dich: Was hältst Du jetzt gerade am meisten zurück? Was war mal so gefährlich, dass mein Nervensystem sich lieber in Todesstarre-Modus begab, als in natürlichen Ausdruck?

Und solltest du doch wieder in die Erstarrung gehen, dann gebe ich dir mein Zaubermittel mit: Stimme und Bewegung. Mit Stimme und Bewegung kommst du aus der Erstarrung raus. Wie das vor Angst erstarrte Tier, dass sich oft tönend schüttelt, wenn die Gefahr vorüber ist.

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Wie sieht es bei dir aus? Ängste, Gefühle, Stress? Wo darfst du noch freier und ausdrucksstärker werden, so dass mehr Freude und Gelassenheit in dein Leben einziehen? Bereit für deinen ersten Schritt?

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